[Ohne Titel]1 Bei der vorliegenden Formel handelt es sich um eine aufbereitete Fassung von Venantius Fortunatus (†~600) Carmen VII,2, einer Ergebenheitsadresse an Palatina, die Tochter des Bischofs Gallusmagnus von Troyes († nach 583). In dem Gedicht sind sämtliche Bezüge auf die ursprüngliche Adressatin und ihren Vater anonymisiert. Das Stück konnte nun (mit metrischen Einschränkungen) für andere Frauen, insbesondere Gönnerinnen und Förderinnen von Bourges genutzt werden. Die Abschrift zeigt Zeichen von Flüchtigkeit, mehrfach wurden Worte ausgelassen. Auffällig ist die häufige und metrisch problematische u/o-Verwechslung beim Akkusativ Plural. Echte Varianten gegenüber den kritisch edierten Fassungen des Schreibens bei F. Leo (Hg.), Venanti Honori Clementiani Fortunati presbyteri Italici Opera poetica,
Wie der Morgenstern sein leuchtendes Antlitz in den Äther trägt
und mit heiterem Gesicht strahlend den Tag ankündigt,
durch seinen Lauf das Himmelsgewölbe schmückt, mit seiner Fackel auch die Erde erleuchtet
und durch sein Licht unter den Sternen die Herrschaft hält,
so übertriffst Du, oh Soundso2 An dieser Stelle wurde der Namen Palatina durch illa ersetzt, was eigentlich einen Verstoß gegen das Versmaß darstellt. Um das Gedicht als formal korrektes Gedicht zu nutzen, musste wieder ein passender Name eingetragen werden., die Du durch Dein Antlitz Licht verbreitest,
mit einem noch schöneren Gesicht den weiblichen Reigen;
oder es tritt die Frauenschar vor Dir so an Zierde zurück
wie vor den Sonnenstrahlen der schwächer leuchtende Mond.
Eure bestechende Schönheit wechselt fröhliche Farben,
bald wechselt sie zu Lilien3 Die Lilie galt bereits in der Antike als Symbol für das Heilige, die Reinheit. Ihre größte Verehrung erfuhr sie jedoch im Christentum als Attribut Christi und Symbol seiner Erlösung sowie als Attribut Marias und Symbol ihrer Reinheit. Vgl.
Glaubt mir, wenn nämlich jemand jenes Antlitz erblickt hat,
liest er dort die Blumen auf, die gewöhnlich der Frühling bringt.
Worte sind nicht imstande, die kostbare Schönheit zu malen,
und meine Beredsamkeit kann die Wunder nicht schildern.
Überaus anmutiger Gang, wegen züchtigen Sinns verehrungswürdig,
eine Schönheit sowohl an Charakter als auch an Aussehen;
überaus angenehm im Gespräch, die Allersüßeste mit freundlichen Worten:
Ja, ich verschmähe die Leier, wenn Deine Zunge erklingt.
In Deinem reinen Herzen erstrahlt umsichtige Klugheit,
Du bist die Zierde deines Geschlechts, weil Du so strahlst.
Durch die wachsame Gattin glänzt die Halle des Gatten5 Gatte der ursprünglich adressierten Palatina war Herzog Bodegisel († 585). noch mehr,
und das Haus erblüht unter ihrer außergewöhnlichen Fürsorge.
Zu Recht ist sie nämlich die Große, die eine Tochter von Soundso dem Großen6 Gemeint war ursprünglich Gallusmagnus, bei der Überarbeitung der Formel wurde nur das Galli ersetzt, der Namensteil bzw. das Epitheton magnus blieb bestehen, um das in magna und magni angelegte Wortspiel zu erhalten. ist,
aber auch durch das Verdienst der Tochter wurde der Vater reich an Ehre.
Nicht anders vermochte die heller zu glänzen als in ihrer Stellung,
die es sich würdig verdiente, einem hervorragenden Mann zu gefallen.
Er wählte aus vielen die Liebende, die der Geliebte liebte,
und als Richter des Vaterlands sprach er sich selbst das Urteil.
Bleibt Euch beide gegenseitig verbunden für viele Jahre,
und was auch immer Ihr Euch an Freuden wünscht7 Das Gedicht springt hier in die 3. Person, d.h. eigentl. „und was auch immer sie sich an Freuden wünschen“., soll Euch geschehen!