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Angers 42 (deu)

Sicherheit nach Bußzahlung

Sicherheit, ausgestellt vor Männern guten Leumunds (boni homines) durch einen Mann für einen anderen, der ihm nach einem Diebstahl eine Zahlung geleistet hatte, diesen wegen dieser Angelegenheit nicht weiter zu belangen.

ES BEGINNT EINE SICHERHEIT^{1 Bei der securitas handelte es sich nach römischem Recht um eine schriftliche Quittung, die als Erfüllungsbeweis diente. Im frühen Mittelalter konnten securitates darüber hinaus auch ausgestellt werden, um Konflikte mittels einer Friedenszusicherung zwischen Parteien abzuschließen. Vgl. dazu M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 441; P. Classen, Fortleben und Wandel, S. 33.}

Ich, nämlich der Soundso, der ich auf dem Landgut Soundso des heiligen Soundso lebe. Es widerfuhr mir, dass ich guten Willens^{2 Die Betonung der bona voluntas an dieser Stelle ist vermutlich ein Verweis auf die bona fides, den “guten Glauben”. Nach römischem Recht stellte dieser eine Voraussetzung für das Zustandekommen eines Vertrages dar. Vgl. dazu E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 28-30; H. Siems, Handel und Wucher, S. 362-365; A. Söllner, Bona fides.} einem Mann namens Soundso eine Sicherheit ausfertigen musste. Dies tat ich so auch.

‚Weil er jene Sache^{3 Das illa(m) rem dient hier als Platzhalter für die eigentliche Diebesbeute.} in Folge^{4 Gemeint ist, dass die Sache nach Art bzw. zur Bedingung (conditio) eines Diebstahls in den Besitz des Beklagten kam. Eine sprachliche Konstruktion, die sich auch in frühmittelalterlichen Rechtssammlungen wie dem merowingischen Pactus legis Salicae (65e) beobachten lässt. Das römische Recht sah bei Diebstahl Strafen in Höhe des doppelten oder vierfachen Wertes des Diebesgutes vor. Die fränkischen Leges sahen für den handhaften (auf frischer Tat ertappten) Dieb den Tod vor, für den nicht handhaften Dieb Bußzahlungen neben dem Wertersatz. Eine Unterscheidung zwischen Diebstahl und Raub entfiel dagegen im fränkischen Recht. Vgl. dazu M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 433-436; H.-R. Hagemann, Verbrechenskatalog, S. 49-72; H.-R. Hagemann, Vom Diebstahl, S. 2-12 und 20; G. Köbler, Eigentumsdelikte, S. 565. Es wird in dieser Formel nicht deutlich, ob die Zahlung auf ein Urteil oder auf außergerichtliche Vermittlung hin geleistet wurde.} eines Diebstahls bei sich gehabt hatte und ich deswegen soundsoviel Silber erhalten habe‘, habe ich^{5 Offenbar wurden die entsprechenden Formulierungen aus einer Vorlage mit dritter Person Sing. übernommen und nicht angepasst. Nach der inneren Logik müsste eigentlich der Kläger derjenige sein, der die (Straf-)Zahlung erhält (Beklagter stiehlt – Kläger erhebt Anklage – Beklagter wird für schuldig befunden und muss zahlen). Nimmt man die dritte Person Singular ernst, dann konnte der Beklagte offenbar seine Unschuld mit genügend Eidhelfern beschwören (wie in den iudicii zu Diebstählen verlangt) und der Kläger musste ein Entschädigung für die Beschuldigung bezahlen. Dass die Beschuldigung falsch war, wird allerdings in der Formel nicht erwähnt. Die securitas sollte in jedem Falle den Beklagten vor weiteren Maßnahmen des Klägers/Ausstellers schützen.} Dir daher sodann eine von meiner Hand und der Hand der [Männer] guten [Leumunds] (boni [homines])^{6 Lies bonorum [hominum]. Als boni homines wurden Männer bezeichnet, denen ob ihrer Lebensführung hohe Vertrauens- und Glaubwürdigkeit zukam und die zumeist wohl der lokalen Elite angehörten. Sie agierten unter anderem auch als Zeugen, Urteiler, Schlichter und Vermittler. Vgl. zu ihnen K. Nehlsen-von Stryk, Die boni homines; T. Szabó, Zur Geschichte der boni homines.} bekräftigte [Sicherheit]^{7 Lies [securitate] firmata (für securitatem firmatam).} gegeben^{8 Hier dedisse für dedissi (Variante zu dedi).}, damit Du nach diesem Tage wegen dieser Sache ruhig und sicher leben kannst^{9 Offenbar wurden auch hier die die entsprechenden Formulierungen aus einer Vorlage mit dritter Person Singular übernommen und nicht angepasst.}. Und falls es entweder ich selbst oder irgendjemand anderes es sein sollte, der gegen diese von meiner Hand bekräftigte Sicherheit, die ich Dir gegeben habe, Widerstand leisten will, muss derjenige Dir und dem fiscus soundsoviel solidi, [die] untereinander [aufgeteilt werden]^{10 In der Bedeutung „für diesen wie für jenen“ findet sich inter auch in anderen Rechts- und Vertragstexten der Merowingerzeit wie im Pactus pro tenore pacis domnorum Childeberti et Chlotharii regum 12 (ipse dominus status sui iuxta modum culpae inter freto et faido conpensetur). A. Rio, Formularies, S. 85 schlägt für das Englische die Lösung „let him pay n. solidi [to be devided] between you and the fisc“ vor.}, bezahlen^{11 Bei Bußzahlungen an geschädigte Personen ging in der Regel die Hälfte oder ein Drittel der Summe an den fiscus, der wiederum ein Drittel der Summe dem für die Rechtsprechung zuständigen Amtsträger überließ (so auch, wenn der fiscus selbst Empfänger der gesamten Bußzahlung war). Die Beteiligung des fiscus sollte wohl auch als Anreiz für dessen Vertreter dienen, im Falle eines Rechtsstreites zu intervenieren. Vgl. dazu J. Durliat, Finances publiques, S. 219; S. Esders, Eliten und Strafrecht, S. 268.} und was er fordert, soll er nicht erreichen und diese Sicherheit und mein Wille sollen fest bestehen bleiben.