Formulae - Litterae - Chartae: Leseumgebung

Angers 6 (deu)

Sicherheit nach körperlicher Auseinandersetzung

Sicherheit, ausgestellt vor Männern guten Leumunds (boni homines) durch einen Mann für einen anderen, diesen nach einem Streit auf einer öffentlichen Straße (via publica) bei dem er letzterem Schläge versetzte, wegen dieser Angelegenheit nicht weiter zu belangen.

ES BEGINNT NOCH EINE SICHERHEIT^{1 Bei der securitas handelte es sich nach römischem Recht um eine schriftliche Quittung, die als Erfüllungsbeweis diente. Im frühen Mittelalter konnten securitates darüber hinaus auch ausgestellt werden, um Konflikte mittels einer Friedenszusicherung zwischen Parteien abzuschließen. Vgl. dazu M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 441; P. Classen, Fortleben und Wandel, S. 33.}

Da ja bekannt ist, dass^{2 Das quia ist hier wie faktisches quod gebraucht, möglicherweise wurde hier eine Standardformulierung (Narrativ mit quia), nicht richtig in den Text eingepasst.} vor dem heutigen Tage ein Mann namens Soundso auf einer via publica^{3 Bei viae publicae handelte es sich nach römischem Recht um auf öffentlichem Boden verlaufende und dem öffentlichen Verkehr dienende Straßen, die außerhalb städtischer Siedlungen verliefen. Vgl. dazu M. Rathmann, Untersuchungen.} einen Streit mit dem Soundso hatte und er demselben Soundso Schläge^{4 Bei colebus (hier für colebos) handelt es sich um eine Form von colaphus (κόλαφος) „Faustschlag“.} versetzt hat, kamen also dieselben, der Mann mit besorgten^{5 Ausgehend von K. Zeumer, Formulae, S. 17 fasst A. Rio, The formularies, S. 53 meduantis als mediantes auf und übersetzt „mediating“, wahrscheinlicher scheint jedoch die Ableitung von meduantis als Form von metuentes aus metuare bzw. metuere „besorgt sein“, denn in diesem Sinne wird meduantis auch in Angers 41 gebraucht: Meduantis casus umani fragilitatis corpore „Wir fürchten die Wechselfälle der Hinfälligkeit des menschlichen Körpers“.} Männern guten Leumunds^{6 Als boni homines wurden Männer bezeichnet, denen ob ihrer Lebensführung hohe Vertrauens- und Glaubwürdigkeit zukam und die zumeist wohl der lokalen Elite angehörten. Sie agierten unter anderem auch als Zeugen, Urteiler, Schlichter und Vermittler. Vgl. zu ihnen K. Nehlsen-von Stryk, Die boni homines; T. Szabó, Zur Geschichte der boni homines.}, dergestalt überein^{7 Es scheint in diesem Fall also eine außergerichtliche Vermittlung durch die boni homines stattgefunden zu haben. Vgl. zu außergerichtlichen Konfliktlösungen P. S. Barnwell, The early Frankish mallus, S. 239f.; P. Geary, Extra-judicial means, insb. S. 595-601.}, dass der Mann für den denselben^{8 Hier ipsius statt ipsi (um Verwechslung mit ipsi = ipse auszuschließen?); zum Gebrauch von -ius als Dativ P. Stotz, Handbuch IV, VIII,§70, S.137f.} wegen ebenjenener Schläge und ebenjenes Streits, ‚den er mit mir hat‘, diese Sicherheit ausfertigen sollte. Dies tat er so auch.

Und^{9 Hier findet ein Perspektivwechsel statt. Nun spricht der tätlich gewordene homo.} falls ich selbst oder einer meiner Erben oder irgendein Gegner es wagt – auch wenn ich nicht glaube, dass das geschehen wird – gegen diese Sicherheit^{10 Bei der securitas handelte es sich nach römischem Recht um eine schriftliche Quittung, die als Erfüllungsbeweis diente. Im frühen Mittelalter konnten securitates darüber hinaus auch ausgestellt werden, um Konflikte mittels einer Friedenszusicherung zwischen Parteien abzuschließen. Vgl. dazu M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 441; P. Classen, Fortleben und Wandel, S. 33.} Widerstand zu leisten, soll er ihm soundsoviele solidi bezahlen und, was er fordert, soll er nicht erreichen und diese Sicherheit hier soll für alle Zeit bestehen bleiben.