URKUNDE ÜBER DIE NACHKOMMEN, FALLS EIN SKLAVE EINE FREIGEBORENE HEIMFÜHRT
Ich, in Gottes Namen der Soundso, also an die Frau Soundso. Man hält folgendes für allgemein bekannt, dass sich mein Sklave mit Namen Soundso ohne die Einwilligung Deiner Eltern oder die Deine1 Die Zustimmung einer Frau zu einem raptus spielt in den Leges (mit Ausnahme von Lex Salica 13,8, siehe dazu Anm. 7) keine Rolle. Im römischen Recht hatte die Zustimmung der Frau lediglich Auswirkung auf ihre eigene Position. Hatte sie der Entführung zugestimmt, galt sie als Mittäterin und wurde wie der Entführer selbst mit dem Tode bestraft, hatte sie nicht zugestimmt, sich der Entführung aber auch nicht ausreichend wiedersetzt, konnte sie das Erbrecht an ihren Eltern verlieren (Breviarium Alarici IX, 19). Vgl. dazu R. Haase, Justinian I. und der Frauenraub, S. 458-461; A. Esmyol, Geliebte, S. 221; S. Joye, La femme ravie, S. 320-324. mit Dir durch das Verbrechen des Brautraubs2 Mit dem Begriff raptus wurde bereits im römischen Recht die Entführung einer Frau mit dem Ziel einer Eheschließung bezeichnet. Diese Entführung erfolgte nicht immer gegen den Willen der Frau, immer jedoch gegen den Willen der die Muntgewalt über die Frau innehabenden parentes. Auf einen raptus hin geschlossene Ehen wurden wegen der fehlenden Zustimmung der parentes nicht anerkannt. Die Entführung konnte dabei auch dazu dienen, sozialen Druck auf die parentes auszuüben, einer Ehe zuzustimmen. Vgl. dazu A. Esmyol, Geliebte, S. 108-119 und 221-225; S. Joye, La femme ravie, S. 270-354; R. Haase, Justinian I. und der Frauenraub; F. Siegmund, Pactus Legis Salicae § 13, S. 123. Zum Frauenraub als Topos der deutschen Forschung vgl. H. Lück, Frauenraub, Sp. 1709-1713. in der Ehe verbunden hat3 Eine vollgültige Ehe zwischen Unfreien, beziehungsweise Freien und Unfreien, sahen eigentlich weder römisches Recht noch Leges vor. Sie kannten für diese lediglich die eheähnliche Verbindung, das contubernium oder (in merowingischer Zeit) coniugium, deren Gültigkeit von der Zustimmung der Herren der Unfreien war. Vgl. dazu J. Gaudemet, Le mariage en Occident, S. 99f.; H. Nehlsen, Sklavenrecht, S. 271; H. Grieser, Sklaverei, S. 99f. und aus diesem Grund in Lebensgefahr geraten war4 Neben dem römischen Recht sah lediglich das Decretio Childeberti II, c. 4 (MGH LL I, S. 9) die Todesstrafe für den Frauenräuber vor. Lex Salica 13 und Lex Ribuaria 34 (36) sahen dagegen Bußzahlungen vor. Vgl. dazu R. Haase, Justinian I. und der Frauenraub; F. Siegmund, Pactus Legis Salicae § 13; E. Seebold, Frauenraub; S. Joye, La femme ravie, S. 270-325. Seit dem Konzil von Meaux-Paris 845/46, c. 66 (MGH Conc. 3, 11, S. 115) wurden Frauenräuber zudem mit lebenslanger Ehelosigkeit und Exkommunikation bedroht. Eine Bedrohung des Lebens konnte daneben auch von der Familie der Entführten ausgehen., aber als Freunde und Männer guten Leumunds5 Als boni homines wurden Männer bezeichnet, denen ob ihrer Lebensführung hohe Vertrauens- und Glaubwürdigkeit zukam und die zumeist wohl der lokalen Elite angehörten. Sie agierten unter anderem auch als Zeugen, Urteiler, Schlichter und Vermittler. Vgl. zu ihnen K. Nehlsen-von Stryk, Die boni homines; T. Szabó, Zur Geschichte der boni homines. eingriffen und vermittelten6 Derartige Vermittlungen waren nach dem Decretio Childeberti II, c. 4 (MGH LL I, S. 9) eigentlich untersagt., kamen wir untereinander überein, dass, so zwischen Euch irgendwelcher Nachwuchs an Kinder7 Töchter können beim Plural filii mitgemeint sein. In der zweiten Version wird dagegen explizit zwischen Söhnen (filiorum) und Töchtern (filliarum) unterschieden. geboren werden wird, diese in vollständiger Freiheit8 Der Stand des Freien stellte im römischen und frühmittelalterlichen Recht den Normalzustand einer Person dar, von welchem jener des servus abgegrenzt wurde. Zentrale Merkmale des Freien waren dabei die freie Verfügbarkeit über sein Eigentum, sein Teilnahmerecht an Versammlungen und das ihm in den leges zugewiesene hohe Wergeld. Im frühen Mittelalter war der Status des Freien darüber hinaus oft mit der Abwesenheit von Dienstverpflichtungen und der Freiheit zum Umzug und zur Ansiedlung verbunden. Vgl. dazu G. Köbler, Die Freien, S. 42-49; A. Weber, Liber - ingenuus, S. 245f.; H.-W. Goetz, Serfdom, S. 42. bleiben sollen9 Römisches Recht wie auch Leges (Pactus legis Salicae 25,4 A1, Lex Ribuaria 61,16) sahen in Fällen der ehelichen Verbindung einer Freien mit einem Unfreien vor, dass die Frau ihre Freiheit verlor und die aus der Ehe entspringenden Nachkommen unfrei sein sollten. Dies galt explizit auch für den Fall einer Ehe nach einem raptus durch einen Unfreien an einer Freien, sollte die Frau diesem zugestimmt haben (Lex Salica 13,7, vgl. dazu E. Seebold, Frauenraub, S. 367-369). Übereinkünfte wie in dieser Formel scheinen allerdings weit verbreitet gewesen zu sein. Vgl. J. Gaudemet, Le mariage en Occident, S. 99f.; H. Nehlsen, Sklavenrecht, S. 271f.; D. Liebs, Römische Jurisprudenz, S. 195f.; A. Rio, Freedom and unfreedom, S. 16-23. Anders als in der folgenden Textalternative ohne raptus wird hier nicht explizit festgestellt, dass die Frau ihre Freiheit verloren hat. Für einen entgegengesetzten Fall, in dem der Frau ihre Freiheit nach einer Eheschließung mit einem Unfreien zugesichert wurde, vgl. Angers 58..
Und falls sie den Sklaven freiwillig angenommen hat, so sagst Du10 Wie in Marculf II,16 werden hier verschiedene Möglichkeiten nebeneinandergestellt.: Jedermann hält es für allgemein bekannt, dass Du meinem Sklaven mit Namen Soundso freiwillig gefolgt bist und ihn als Ehemann angenommen hast11 Eine vollgültige Ehe zwischen Unfreien, beziehungsweise Freien und Unfreien, sahen eigentlich weder römisches Recht noch Leges vor. Sie kannten für diese lediglich die eheähnliche Verbindung, das contubernium oder (in merowingischer Zeit) coniugium, deren Gültigkeit von der Zustimmung der Herren der Unfreien war. Vgl. dazu J. Gaudemet, Le mariage en Occident, S. 99f.; H. Nehlsen, Sklavenrecht, S. 271; H. Grieser, Sklaverei, S. 99f. . Aber obschon ich Dich selbst und deine Nachkommenschaft in meinen Dienst beugen konnte12 Römisches Recht wie auch Leges (Pactus legis Salicae 25,4 A1, Lex Ribuaria 61,16) sahen in Fällen der ehelichen Verbindung einer Freien mit einem Unfreien vor, dass die Frau ihre Freiheit verlor und die aus der Ehe entspringenden Nachkommen unfrei sein sollten. Übereinkünfte wie in dieser Formel scheinen allerdings weit verbreitet gewesen zu sein. Vgl. J. Gaudemet, Le mariage en Occident, S. 99f.; H. Nehlsen, Sklavenrecht, S. 271f.; D. Liebs, Römische Jurisprudenz, S. 195f.; A. Rio, Freedom and unfreedom, S. 16-23. Anders als in der vorangehenden Textalternative mit raptus wird hier explizit festgestellt, dass die Frau ihre Freiheit verloren hat. Für einen entgegengesetzten Fall, in dem der Frau ihre Freiheit nach einer Eheschließung mit einem Unfreien zugesichert wurde, vgl. Angers 58., gefiel es mir freilich um des Namens des Herrn und der Erlösung meiner Sünden willen für Dich darum das vorliegende Schriftstück auszustellen, auf dass, so zwischen Euch irgendwelcher Nachwuchs an Söhnen oder Töchtern geboren werden wird, weder wir sie zu irgendeinem Zeitpunkt einmal in unseren Dienst beugen dürfen, noch unsere Erben oder sonst irgendwer, denn sie sollen für ihre ganze Lebenszeit in vollständiger Freiheit bleiben, so, als ob sie von zwei freigeborenen Eltern gezeugt worden wären, (und) das wie auch immer beschaffene Eigenvermögen13 Mit peculium wurde seit der Antike das Eigenvermögen von Sklaven oder anderen, der patria potestas unterworfenen Personen bezeichnet. Vgl. dazu J. Barschdorf, Freigelassene, S. 139-141; S. Heinemeyer, Freikauf des Sklaven, S. 69-77., das sie erarbeiten mögen, sei ihnen zugestanden; und sie dürfen unter vollständiger Freiheit auf unserem Land14 Die Sammlung aus Flavigny (P3) überliefert hier die interessante Variante sub terra nostra. oder dem unserer Söhne wohnen ohne irgendeinen Nachteil15 Praeiudicium bezeichnet hier einen konkreten Nachteil oder Schaden. In dieser Bedeutung gelangt das Wort als prejudice auch ins Altfranzösische. aufgrund ihres freigeborenen Standes; und sie sollen jedes Jahr die Abgabe für das Land, so wie es für Freigeborene Sitte ist, entrichten16 Beim reditus handelt es sich um eine Pachtzahlung an den Eigentümer des Landes. Seine regelmäßige Leistung hatte Beweiskraft hinsichtlich des Rechtszustandes des Landes, sollte der Pächter es als sein Eigentum beanspruchen. Vgl. dazu Codex Justinianus XI,48,20; J. Durliat, Finances publiques, S. 92, Anm. 228;. Digesten 50,4,18 Abs. 9.; und sowohl sie selbst als auch ihre Nachfahren sollen stets in vollständiger Freiheit17 Der Stand des Freien stellte im römischen und frühmittelalterlichen Recht den Normalzustand einer Person dar, von welchem jener des servus abgegrenzt wurde. Zentrale Merkmale des Freien waren dabei die freie Verfügbarkeit über sein Eigentum, sein Teilnahmerecht an Versammlungen und das ihm in den leges zugewiesene hohe Wergeld. Im frühen Mittelalter war der Status des Freien darüber hinaus oft mit der Abwesenheit von Dienstverpflichtungen und der Freiheit zum Umzug und zur Ansiedlung verbunden. Vgl. dazu G. Köbler, Die Freien, S. 42-49; A. Weber, Liber - ingenuus, S. 245f.; H.-W. Goetz, Serfdom, S. 42. verbleiben.
Falls aber jemand – wir glauben nicht, dass das geschehen wird – seien es wir selbst oder irgendeiner von unseren Erben oder wer auch immer, gegen diese Urkunde vorzugehen wagt oder sie brechen will, muss er Dir oder deinen Erben soundsoviele Pfunde Gold, soundsoviele Pfund Silber bezahlen18 Die jüngere Pariser Fassung der Sammlung (P16) über liefert hier mit ii und tres konkrete Angaben. Der Frevler hatte zwei librae Gold bzw. drei pondo Silber zu zahlen. Zur Frage des Verhältnisses von libra und pondus sowie von Gold und Silber in frühmittelalterlichen Poenformeln F. Boye, Poenformeln, S. 117-119. und, was er fordert, soll er nicht erreichen können, denn die vorliegende Urkunde soll für alle Zeiten fest bestehen bleiben.
(Gegeben samt) einer hinzugefügten eidlichen Zusicherung19 Die Stipulationsformel wies in römischen Urkunden ursprünglich auf ein mündliches, an Frage- und Antwortform gebundenes Leistungsversprechen hin, mit welchem eine Partei gegenüber einer anderen eine Verpflichtung einging. Die Anbringung der Formel an den Vertrag wirkte rechtskonstituierend, auch wenn der mündliche Vollzug der Stipulation nach und nach entfiel. In fränkischer Zeit scheint das Bewusstsein für die Herkunft der Formel geschwunden, ihre Anbringung aber als Stärkung der Autorität und Sicherheit der Urkunde verstanden worden zu sein. Vgl. dazu; E. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 34-46; M. Kaser, Das römische Privatrecht II, S. 373-382; D. Simon, Studien, S. 33-40; P. Classen, Fortleben und Wandel, S. 25-31.. Geschehen in Soundso.