Formulae - Litterae - Chartae: Leseumgebung

Bourges C 7 (deu)

Empfehlungsschreiben für einen verbannten Brudermörder

Empfehlungsschreiben [eines Bischofs] an alle Priester, Könige und Großen mit der Bitte, einen vom Absender wegen Brudermordes Verbannten gütlich zu behandeln.

[ohne Titel]

An die heiligen und ehrwürdigen, edlen und berühmten Hoheiten der Geistlichen^{1 Sacerdotes sind alle Inhaber eines sacerdotiums. Sacerdos kann damit sowohl den Priester als auch den Bischof bezeichnen, betont gegenüber den Bezeichnungen als presbyter oder episcopus aber die kultische Funktion des Amtes. Vgl. dazu B. Thomas, Priests and bishops, insb. S. 85-88.}, Könige und Bischöfe, an die Bischöfe, Priester, Diakone, Äbte und viri magnifici und an alle Gottesfürchtigen, ich, in Gottes Namen, der Soundso, ein Sünder.

Eure Herrlich- und Heiligkeit soll [Folgendes] erfahren: Jener armselige Wicht namens Soundso hat vom alten Feind, der teuflischen Schlange^{2 Die Schlange als Personifikation des Teufels findet sich bereits in der Bibel (Weish 2,24; Röm 16,20 2 Kor 11,3). Zur Schlangensymbolik vgl. auch R. Brandscheidt, Schlange II. Biblisch; M. Pastoureau, Les animaux célèbres, S. 17-21.}, aufgestachelt seinen [leiblichen] Bruder erschlagen und wir haben ihm aus kanonischer Autorität heraus gesagt, dass er in die Verbannung gehen muss^{3 Homicidium, die Tötung eines Menschen, wurde nach kanonischem Recht mit der Exkommunikation bestraft (vgl. etwa Konzil von Ankyra 314, c. 22 und 23; Konzil von Tours 461, c. 7, Konzil von Clichy 626-627, c. 11, Konzil von Mainz 847, c. 23). In karolingischer Zeit finden sich allerdings auch Verweise auf öffentliche Bußen (vgl. etwa Konzil Francia 846, c. 6). Die Verbannung als Strafe für die Tötung eines Menschen findet sich dagegen etwa im Paenitentiale Sancti Columbani, B c. 13, hier zu büßen mit dreijährigem, waffenlosem Exil bei Wasser und Brot.}. Aber wir sind alle Pilger auf dieser Welt. Darum bitten wir Eure Frömmigkeit darum, dass Ihr geruhen mögt, denselben in Euren Hallen aufzunehmen und gut zu behandeln, gemäß dem, was geschrieben steht^{4 Der nachfolgende Satz findet sich in dieser Form weder in der Bibel noch in der patristischen Literatur.}: „Denn ein jeder Mensch hält es für wahr, was er Tag und Nacht klage und bereue, damit er erstrahle von den sechs Werken der Barmherzigkeit gemäß jenem Evangelium^{5 Nach Mt 25,35f. sind die sechs Werke der Barmherzigkeit die Hungernden zu speisen, die Dürstenden zu tränken, die Fremden aufnehmen, die Nackten zu kleiden, die Kranken zu besuchen und zu den Gefangenen zu gehen (esurivi enim, et dedistis mihi manducare; sitivi, et dedistis mihi bibere; hospes eram, et collegistis me; nudus, et cooperuistis me; infirmus, et visitastis me; in carcere eram, et venistis ad me).}“. Solcherart möge es Eure Hochwürden künftig tun, damit Ihr dafür unablässigen Lohn bekommen könnt.

Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi soll Euch stets überfließen. Amen.