Formulae - Litterae - Chartae: Leseumgebung

Bourges C 1 i (deu)

Empfehlungsschreiben für einen Pilger

Empfehlungsschreiben des Abtes eines Petersklosters an alle Geweihten, Amtsträger und Frauen, den Träger des Schreibens auf seiner Pilgerfahrt nach Rom zu unterstützen.

(i)

An^{1 Bei der vorliegenden Formel handelt es sich um ein Empfehlungsschreiben für einen Mönch auf der Pilgerfahrt nach Italien, in dem geistliche und weltliche Würdenträger um Unterstützung für den Pilger gebeten werden. Im Gegensatz zu den anderen Formeln der kleinen Sammlung von Bourges C (Le1) 1, die nur unikal überliefert sind, ist die vorliegende Briefformel noch in einer weiteren Handschrift erhalten. Der Codex Paris, BnF, Latin 2777 (P6) überliefert das Stück als Teil einer Sammlung von Formelmaterial mit Bezug zu Saint-Denis. Das Pariser Manuskript ist beschädigt, der Anfang der Formel verloren. Die Pariser Fassung der Formel wurde von Zeumer nochmals im Verbund der Formulae collectionis S. Dionysii ediert (K. Zeumer, Formulae, S. 507). Zur Sammlung von P6 vgl. A. Rio, Legal Practice, S. 141-144.} die Herren^{2 Frühmittelalterliche Briefkommunikation diente neben dem Austausch von Nachrichten oft auch der Versicherung des gegenseitigen Wohlwollens und der Stärkung sozialer Bande. In ihrer Gestaltung folgten die Briefe häufig bestimmten Konventionen, wie dem Lob des Empfängers und der Betonung der eigenen humilitas (Bescheidenheitstopos). Ihr Stil war oft vom Bemühen geprägt, die eigene Bildung durch die Demonstration der sprachlichen Fähigkeiten zur Schau zu stellen. Darüber hinaus konnte der eigene Status auch durch den Verweis auf persönliche Verbindungen und Einflussmöglichkeiten unterstrichen werden. Diskretere inhaltliche Belange wurden dagegen zumeist den die Briefe überbringenden Boten in mündlicher Form anvertraut. Vgl. dazu B.-J. Schröder, Bildung und Briefe, S. 150-156; V. Scior, Vergegenwärtigung; F.-L. Ganshof, Merowingisches Gesandtschaftswesen, S. 174-182.} und allerseligsten Bischöfe^{3 Sacerdos kann sowohl den Priester als auch den Bischof bezeichnen, betont gegenüber den Bezeichnungen als presbyter oder episcopus allerdings die kultische Funktion des Amtes. Vgl. dazu B. Thomas, Priests and bishops, insb. S. 85-88.}, die Metropolitanbischöfe, Priester, Diakone [und] alle, die zu Recht Subdiakone sind, sowie alle, die in einen Weihegrad der Kirche eingesetzt sind, [und] an die Jungfrauen, Witwen, verheirateten Frauen^{4 Mit diesen drei Kategorisierungen sind die möglichen Lebensformen für Frauen im frühen Mittelalter abgedeckt. Jungfrauen und Witwen genossen als besonders Schutzbedürftige einen speziellen Status innerhalb der christlichen Gemeinde. Die hier vorliegende Reihung spiegelt den absteigenden Wert wider, den bereits die Kirchenväter diesen Gruppen zumaßen. Vgl. dazu M. Rener, Jungfrauen, S. 3f.}, an die Herzöge, Grafen [und] alle, die zu Recht Fiskalland verwalten, richte ich, der niedrige und allergeringste Soundso, der ich Abt der Kirche unseres Schutzherrn des allerseligsten Heiligen Petrus^{5 Die Identifikation dieser Kirche ist unklar. Aus Bourges ist mit dem monasterium sancti Petri puellarum lediglich um 1000 ein dem Petrus geweihtes Frauenkloster bekannt, das möglicherweise auf ein bereits von Bischof Sulpicius II. († 647) gegründetes Frauenkloster zurückgeht. Eine ecclesia beati Petri apostoli sanctique Ambrosii ist außerhalb der Stadtmauern von Bourges ab 1012 belegt. Vgl. F. Prevot/X. Barral i Altet, Topographie Chrétienne VI, S. 22 und 24. Die von K. Zeumer, Formelsammlungen, S. 81 vorgeschlagene Identifikation mit dem Kloster Saint-Pierre in Dèvre kann dagegen ausgeschlossen werden. Das in enger Verbindung zur Kirche von Bourges stehende Kloster in Dèvre scheint erst 843 als monasteriolum (vgl. DKdK 42) gegründet worden zu sein und musste bereits 903 durch Kanoniker der Kathedrale von Bourges neu belebt werden. Vgl. zur Geschichte von Saint-Pierre G. Tessier, Les chartes du monastère de Dèvre. Die Handschrift Le1, in welche die vorliegenden Formeln eingetragen wurden, entstand spätestens Anfang des 9. Jahrhunderts, wahrscheinlicher am Übergang vom 8. zum 9. Jahrhundert (siehe Einleitung) und damit vor der Gründung des kleinen Klosters.} bin, einen allerbeständigsten Gruß.

Für den Anwesenden wagten wir es, an Eure Seligkeit und Durchlaucht dieses Empfehlungsschreiben unserer Niedrigkeit zu richten, in welchem wir die Exzellenz Eurer Frömmigkeit darum anflehen, dass [Ihr geruhen mögt] jenen Priester Soundso^{6 Die Fassung aus P6 geht von einer größeren Gruppe an Pilgern aus, zu der zwei namentlich genannte Mönche und eine nicht näher quantifizierte Anzahl von collegi gehören. Im Gegensatz zur vorliegenden Fassung, wo der Pilger explizit als Priester (presbyter) bezeichnet wird, bleibt der Rang der Pilger in der Pariser Fassung offen.} aus dem vorgenannten Kloster [zu empfangen]^{7 Dem ut-Satz fehlt in Le1 ein Verb. In der inhaltlich sehr ähnlichen Formel Bourges C (Le1) 1 m bittet der Aussteller den Empfänger darum, „dass Ihr geruhen mögt, diesen Gläubigen […] zu empfangen“ (supplicamus excellentiae piaetatis vel bonitatis vestrae, ut hunc fidelem ... recipere iubeatis). In der Pariser Fassung wird auf eine ut-Konstruktion verzichtet. Der Aussteller bittet dort den Empfänger direkt „für“ die Pilger (supplicamus excellentie sanctitatis vestrae his nominibus illis et illis cum colligis eorum).}, der mit unserer Erlaubnis^{8 Hier praemissum = permissum, zum Eintreten von prae- für per- vgl. P. Stotz, Handbuch 2, V, §78.12, S. 156 und 3, §294,2, S. 338.} und mit dem Segen der Brüder^{9 In der Pariser Fassung haben die Pilger auch explizit den Segen ihres Abtes (benedictione venerabili viro illo, eorum abbate, vel fratrum).} aus Liebe zum himmlischen Vaterland zum apostolischen Stuhl^{10 Rom.} unterwegs ist, um die Fesseln seiner Sünden abzustreifen, der, obgleich die Reise hart und widrig ist, Vertrauen in den Herrn hat und Angriff und Beschwernis durch den Teufel nicht fürchtet, während er, so wie wir es gesagt haben, mit höchster Ehrerbietung und tiefster Demut zu den Schwellen der allerseligsten Apostel^{11 Die Pariser Fassung nennt explizit Petrus und Paulus. Die entsprechenden Heiligtümer liegen beide in Rom und gehören zu den sieben Pilgerkirchen. Das Petrusgrab bildet den Mittelpunkt der Vatikanischen Nekropole und ist bis heute Zentrum des Petersdoms. Das Paulusgrab befindet sich in der Kirche St. Paul vor den Mauern (San Paolo fuori le Mura).} und der übrigen Heiligen eilt, von denen man weiß, dass ihre sterblichen Überreste in Italien liegen. Daher bitten wir flehentlich darum, dass Ihr geruhen mögt, ihm überall, sei es in Städten, Burgen, Flecken oder Klöstern, wo er vor Euch treten mag, um des Namens Gottes willen, unseres Herrn Jesus Christus, Eure Unterstützung zu gewähren, denn es wird für ihn notwendig und nützlich sein; [und zwar] anstelle desselben, der da sagt: „ Wer euch aufnimmt, nimmt mich auf. Und wer einen Propheten aufnimmt im Namen eines Propheten, wird den Lohn eines Propheten erhalten. Und wer auch immer einen Becher mit kühlem Wasser in meinem Namen darreicht: Amen, ich sage euch, der wird seinen Lohn nicht verlieren“; und: „Solange ihr etwas einem von diesen meinen Geringsten getan habt, habt ihr es mir getan“!

Wir wünschen Euch, dass es Euch noch für viele Jahresläufe im Vater und im Sohn, unserem Erlöser Christus, und im Heiligen Geist wohl ergehe.